Auszug aus "Marie Hager - Die Malerin"

Einige Grundzüge der Entwicklung der damaligen Kunstszene können dazu beitragen, Marie Hager in ihrer persönlichen und ihrer künstlerischen Auffassung zu verstehen. Am Ende des 19. Jahrhunderts hatte der Anfang der Pleinairs gestanden. Es hieß: raus aus dem Akademiebetrieb, rein in die Natur. Die Freilichtsicht für die Architektur- und Landschaftsmalerei hatte die Malerin bereits verinnerlicht. Selbst die Winterkälte konnte sie nicht davon abhalten, ihre Motive unmittelbar unter freiem Himmel zu malen.

 Als Marie Hager 1904 das erste Mal zum Unterricht in die preußische Hauptstadt kam, hatte die Abspaltung einer Gruppe von Künstlern vom akademischen Kunstbetrieb seit längerem schon begonnen. In Berlin stand die Secession in Konfrontation zur offiziellen politischen Hierarchie und zu den ästhetischen Anforderungen von Kaiser Wilhelm II. Man stand ihr geradezu feindlich gegenüber.

Max Uth hatte Ende des 18. Jahrhunderts zu den ersten gehört, die sich der Berliner Secession anschloss. Marie Hager nahm an der von Max Uth angeleiteten Mal- und Zeichenschule des Vereins der Künstlerinnen und Kunstfreundinnen zu Berlin teil. Während dieser Zeit war sie vermutlich auch in die klar gegliederte Kunstgeschichte und die aktuellen Strömungen eingewiesen worden. Sie wird erfahren haben, dass die Darstellung des metaphysischen Weltgefühls in religiösen Motiven abgelöst wurde vom sich an der Antike und der Renaissance orientierten Klassizismus, später dann vom Materialismus der Historienmalerei. Nun mit den Erkenntnissen der Philosophie, der Wissenschaft und den technischen Entwicklungen hatte sich die Malerei zu einem zeitgemäßen Naturalismus entwickelte. Der Glaube an die Umwelt, an das Erlebnis der eigenen Augenreise machte jetzt Furore. Das Unmittelbare, das unverhüllt sichtbar und fühlbar ist, die Erscheinung des Seins sollte nun in Bildern erkennbar werden.

Max Uth hatte damals ein Atelier für Kunstinteressierte eingerichtet, aber der konservativen Minderheit angehörend, seine Mitgliedschaft in der Secession schon 1902 wieder aufgegeben.

Julie Wolfthorn, 1904 ebenfalls im Schülerinnen-Atelier, gehörte ab 1898 der Berliner Secession an, sogar Käthe Kollwitz, die im „Verein der Künstlerinnen und Kunstfreundinnen zu Berlin“1 nicht nur Schülerin gewesen, sondern dort auch als Lehrerin tätig war, außerdem Hedwig Weiß, die zum Vorstand des Vereins gehörte. Sie und viele andere hatten den dominierenden akademischen Kunstbetrieb modernisieren gewollt.


1  „Käthe, Paula und der ganze Rest - Ein Nachschlagewerk“, Hg. Verein der Berliner Künstlerinnen e.V., 1992, S. 9, daraus entnommen auch Informationen über Julie Wolfthorn, Käthe Kollwitz, Hedwig Weiß

 

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